Das
Oxforder Menologion, welches seinen Namen aufgrund seines heutigen
Aufenthaltsortes in der Bodleian Library im britischen Oxford erhielt,
ist mit seinen 430 prachtvollen Miniaturen auf edlem Goldgrund eines der
Hauptwerke byzantinischer Buchkunst. Das Meisterwerk entstand etwa um
das Jahr 1330 und wurde wohl von einer Gruppe der talentiertesten
Hofkünstler des byzantinischen Reiches gefertigt. Die Handschrift
entstand vermutlich im Auftrag des Demetrios Angelos Doukas Palaiologos,
des Despoten von Thessaloniki, der nach Konstantinopel zweitwichtigsten
Metropole des Reiches.
Das Oxforder Menologion
Das sogenannte Menologion ist eines der am prunkvollsten ausgemalten, bis heute erhaltenen Manuskripte aus Byzanz. Die Bezeichnung Menologion oder auch Menologium steht in erster Linie für eine Sammlung ausführlicher Heiligenviten.
Diese Werke sind geordnet nach den Daten der Fest- und Gedenktage für
in den orthodoxen Kirchen und in den katholischen Ostkirchen verehrte
Heilige, die im Laufe des Kirchenjahres gefeiert wurden. Eine Nebenform
des Menologion mit Heiligenviten in Kurzform wird als Synaxarion bezeichnet. Um eine solche Schrift handelt es sich bei dem kunstvollen Menologion aus Oxford. Dieser Codex zählt zu den Hauptwerken der großartigen byzantinischen Buchmalerei und ist mit über 430 prächtigen, reich mit edlem Blattgold ausgestatteten Miniaturen illustriert.
Im Auftrag des Herrschers
Das Oxforder Menologion wurde um
das Jahr 1330 im Auftrag des Despoten von Thessaloniki, Demetrios
Angelos Doukas Palaiologos (um 1297 – nach 1343) hergestellt.
Dieser stammte aus der Dynastie der Palaiologen und war etwa von 1322
bis 1340 Herrscher über Thessaloniki. Die Stadt Thessaloniki erlebte im
Byzantinischen Reich eine wahre Blütezeit, sozusagen eine goldene
Epoche. Nach Konstantinopel war Thessaloniki eine Zeit lang die zweitwichtigste Stadt im Reich und der Zweitregierungssitz byzantinischer Kaiser. Thessaloniki war nicht nur eine der wichtigsten Handelsmetropolen des Orients, sondern gleichzeitig eine Hauptstadt der Wissenschaft und der Künste. In der äußerst wohlhabenden Stadt entstanden sowohl bewundernswerte Denkmäler der Architektur als auch künstlerische und literarische Meisterwerke,
die teilweise bis heute erhalten blieben und ihre Betrachter auch nach
Jahrhunderten noch in ihren Bann ziehen. Das Oxforder Menologion zählt
zu den letzten Zeugnissen aus dieser goldenen Ära der Kunst.
Ein bedeutendes hagiographisches Manuskript
Die Sammlung kurzer Heiligenviten wurde für den liturgischen Gebrauch im byzantinischen Kirchenritus
angefertigt. Die Handschrift wurde in griechischer Sprache, in der
sogenannten Perlschrift, auf hochwertigen Pergamentseiten verfasst. Eine
Seite besteht in der Regel aus einem sechzehnzeiligen Text, zu dem ein
Maler ein Bild von einem Heiligen, einer Gruppe von Heiligen oder einem
Festakt zu Ehren der Heiligen geschaffen hat. Die über 430 Bilder sind ein wichtiges Beispiel der Hagiographie, der Heiligenverehrung, in der Buchkunst von Byzanz. Texte und Bilder stellen nur eine Hälfte des byzantinischen Kirchenjahres dar, es sind lediglich die Monate von September bis Februar illustriert. Daher ist anzunehmen, dass es einen zweiten Band des Werkes gab, welcher allerdings im Laufe der Geschichte verloren ging.
Wegweisende Buchkunst
Die Künstler, die die Bilder zum Menologion beigetragen haben, schufen in ihrer Arbeit eine atemberaubende Meisterleistung der mittelalterlichen Illuminationskunst. In revolutionärer Art und Weise stellten sie Personen in ihren Miniaturen perspektivisch und ausgesprochen realitätsnah
dar. Damit wandten sie sich ab von der bis dahin üblichen, flächigen
Darstellungsweise, wie sie in den meisten handschriftlichen und
illuminierten Codices des Mittelalters praktiziert wurde. Die Gestik der Figuren und der Faltenwurf ihrer Kleider wurden sehr lebendig dargestellt und die abgebildete Architektur im Hintergrund der Bilder zeugt von einer unglaublich feinen Beobachtungsgabe
der Künstler. Auch die Mimik der Personen wurde in natürlicher Weise
wiedergegeben, was zur Entstehungszeit des Menologion nur wenigen
Künstlern in ähnlichem Maße gelang. Es handelt sich hier um einen
Malstil, der manchmal als Makedonische Renaissance bezeichneten Epoche,
in welcher Künstler stark auf großartige antike Vorbilder zurückgriffen.